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Brief für Unternehmer und Freiberufler des Monats August 2013


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Neues zur Steuerbefreiung für Altenwohnheime

2.

Voraussetzungen einer Auftragsprüfung

3.

ELSTER-Zertifikat für Lohnsteueranmeldung und USt-Voranmeldung zwingend

4.

Beitritt Kroatiens zur EU: Folgen für die Umsatzsteuer

5.

Springpferde: Kein höherer Vorsteuerabzug durch EuGH-Rechtsprechung

6.

Kein ermäßigter Steuersatz für "Coaster-Bahn"

7.

Innergemeinschaftliche Lieferungen: Steuerpflicht für Bösgläubige

8.

Kein ermäßigter Steuersatz für Dorffeste

9

Grobe Fahrlässigkeit bei Nutzung des Elster-Programmes

10.

Gelangensbestätigung: BMF legt Entwurf vor

11.

Familienheimfahrt mit Dienstwagen: kein Werbungskostenabzug

12.

Ist die Begrenzung der AfA für häusliche Arbeitszimmer verfassungsgemäß?

13.

Steuerabzug auf Einkünfte ausländischer Künstleragentur ist zulässig

14.

Steuerminderung in BRD durch endgültige Verluste im EU-Ausland

15.

Rückstellungsbildung für Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung

16.

Steuerpflichtige Mitgliedsbeiträge bei Sportvereinen: Vorsteueraufteilung

17.

Kirchlicher Kindergarten kann Betrieb gewerblicher Art sein

18.

Arbeitslohn von dritter Seite

19.

Vergünstigung für Arbeitnehmer-Erfindungen ist kein begünstigter Arbeitslohn

20.

Kommunale Holding-GmbH muss keinen paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden

21.

Straßenbeleuchtung ist nicht von der Stromsteuer befreit

22.

Umsatzsteuerbefreiung beim Ehrenamt: Verständigung mehrerer Verbände

23.

Mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft

24.

Prozesshandlungen von Nebenintervenienten bleiben immer wirksam

25.

Herabsetzung der Haftsumme eines Kommanditisten: gebührenpflichtig?

26.

AdV bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke?

27.

Ärztliche Schweigepflicht schützt nicht vor Umsatzsteuernachzahlungen


1. Neues zur Steuerbefreiung für Altenwohnheime

Kernaussage
Für das Gesundheitswesen existieren diverse Steuerbefreiungen im Umsatzsteuergesetz (UStG). Diese sorgen regelmäßig für Streit mit den Finanzbehörden. Diesmal musste der Bundesfinanzhof (BFH) zu Altenwohnheimen Stellung beziehen.

Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb ein als gemeinnützige Körperschaft anerkanntes Altenwohnheim. Die mit den Bewohnern abgeschlossenen Heimverträge beinhalteten u. a. die Überlassung einer Wohnung, deren Reinigung, das tägliche Mittagessen sowie Pflegeleistungen (max. 14 Tage/Jahr). Streitig war, ob neben den steuerfreien Umsätzen aus der Vermietung der Wohnungen auch die Pflegeleistungen samt Nebenleistungen befreit waren (§ 4 Nr. 16d UStG). Hierzu hätten die Leistungen zu mindestens 40 % im vorangegangenen Kalenderjahr gegenüber Kranken und behinderten Menschen erbracht werden müssen. Dies verneinte das Finanzamt, da es in die Quote nur Bewohner einbezog, denen eine Pflegestufe zugeordnet war. Der Kläger berücksichtigte auch Bewohner ohne Pflegestufe, für die aber ein Arzt die Pflegebedürftigkeit bescheinigt hatte.

Entscheidung
Nach Ansicht des BFH reicht eine (einfache) Pflegebedürftigkeit, um die Steuerbefreiung zu beanspruchen. Diese setzt nicht die Feststellung einer Pflegestufe voraus. Die Richter wiesen den Fall an die Vorinstanz zurück, um zu prüfen, ob unter den genannten Voraussetzungen die Quote erreicht sei. Ebenso sollte geklärt werden, ob die diversen Nebenleistungen tatsächlich eng verbunden mit den Pflegeleistungen waren, was Voraussetzung für ihre Befreiung ist. Sollte das Finanzgericht daraufhin zu dem Ergebnis kommen, dass Leistungen nicht unter die umsatzsteuerliche Befreiungsvorschrift (§ 4 Nr. 16d UStG) fallen, so der BFH, soll das Finanzgericht zusätzlich prüfen, ob sich nicht noch eine Befreiung nach dem geltenden EU-Recht ergibt.

Konsequenzen
Die Feststellung der Pflegestufe ist nicht mehr allein entscheidend für die Ermittlung der 40 %-Quote. Welche Nachweise aber zukünftig alternativ anerkannt werden, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Hier ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung zu dem Urteil Stellung bezieht. Die betroffenen Unternehmen haben ein Interesse daran, möglichst wenig Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, soweit zulässig. Dies gestaltet sich aber schwierig, wenn schon fraglich ist, ob die zugrunde liegenden Normen des UStG dem EU-Recht entsprechen. Konflikte mit der Finanzverwaltung sind dann vorprogrammiert. Angesichts der bestehenden Unsicherheit sollten die Unternehmen sich nicht scheuen, kompetenten Rat einzuholen.

2. Voraussetzungen einer Auftragsprüfung

Kernaussage
Eine nicht zuständige Finanzbehörde kann durch eine zuständige Finanzbehörde beauftragt werden, eine steuerliche Außenprüfung bei einem Steuerpflichtigen durchzuführen. Die beauftragte Finanzbehörde darf dabei eine Prüfungsanordnung erlassen, die jedoch die Ermessensbegründung für die Beauftragung enthalten muss.

Sachverhalt
Das beklagte Finanzamt bat das Wohnsitzfinanzamt der Klägerin um die Befugnis zum Erlass einer Prüfungsanordnung und zur Durchführung der Außenprüfung. Zur Begründung verwies es auf eine Außenprüfung bei einer GmbH & Co. KG, zu deren Konzernbereich auch das nachstehende Unternehmen der Klägerin gehöre. Die Klägerin vermietete tatsächlich einem Konzernunternehmen ein Arbeitszimmer. Das Wohnsitzfinanzamt übertrug dem Beklagten die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin. Dieser ordnete die Außenprüfung sodann mit der Begründung an, er sei vom zuständigen Finanzamt beauftrag und die Prüfung erfolge im Zusammenhang mit der laufenden Außenprüfung bei im o. g. Konzern. Das Finanzgericht hob die Prüfungsanordnung als ermessensfehlerhaft auf.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht die Prüfungsanordnung hingegen als rechtmäßig an. Die beauftragte Finanzbehörde darf anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen und Prüfungsanordnungen erlassen, aus der sich die Ermessenserwägungen für den Auftrag ergeben. Vorliegend wurden die maßgeblichen Erwägungen der einheitlichen Prüfung der Klägerin im Konzernbereich mitgeteilt. Weiterer Ausführungen bedurfte es nicht, da die Vermietung von Räumlichkeiten durch die Klägerin an ein Konzernunternehmen für alle Beteiligten klar war. Auf die Formulierung der Bitte des beklagten Finanzamtes um Erteilung des Prüfungsauftrags kommt es nicht an.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht, dass behördeninterne Schreiben nicht maßgeblich sind. Die für die Außenprüfung maßgeblichen Ermessenserwägungen müssen lediglich in der Prüfungsanordnung enthalten sein. Sie können allerdings bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

3. ELSTER-Zertifikat für Lohnsteueranmeldung und USt-Voranmeldung zwingend

Gesetzliche Neuerung
Seit dem 1.2.2013 verlangt das Finanzamt, dass Umsatzsteuer-Voranmeldungen, Lohnsteuer-Anmeldungen, der Antrag auf Dauerfristverlängerung, die Anmeldungen der Sondervorauszahlungen sowie die zusammenfassende Meldung auf elektronischem Wege authentifiziert mit einem elektronischen Zertifikat übermittelt werden. Die gewährte Übergangsfrist, in der auch die "einfache" elektronische Übermittlung möglich ist, läuft am 31.8.2013 ab. Voraussetzung für die authentifizierte Übermittlung ist die Registrierung des Steuerpflichtigen auf dem Elster-Online-Portal. Diese kann allerdings bis zu 2 Wochen in Anspruch nehmen, so dass ein zügiges Handeln erforderlich wird.

Rechtsfolge
Nach Ablauf der Übergangsfrist ist damit zu rechnen, dass der Finanzverwaltung die vorgenannten elektronischen Erklärungen ohne Zertifikat nicht zugehen. Die Erklärungen gelten damit als nicht abgegeben, mit der Folge, dass die Finanzverwaltung Verspätungszuschläge festsetzen und die ordnungsgemäße Abgabe durch Zwangsgelder abmahnen kann. Ferner können steuerstrafrechtliche Konsequenzen drohen.

Konsequenz
Viele Steuerpflichtige sind sich ihrer Verpflichtung und der möglichen Konsequenzen nicht formgerecht eingereichter Steueranmeldungen nicht bewusst. Das elektronische Zertifikat ist nun dringend zu beantragen. Sollte eine Frist zur formgerechten Abgabe nicht mehr gewahrt werden können, ist die rechtzeitige Kontaktaufnahme mit der Finanzbehörde anzuraten.

4. Beitritt Kroatiens zur EU: Folgen für die Umsatzsteuer

Kernaussage
Zum 1.7.2013 ist Kroatien der Europäischen Union (EU) beigetreten. Mit dem Beitritt stellt Kroatien im umsatzsteuerrechtlichen Sinne kein Drittland mehr dar, sondern einen Mitgliedsstaat. Hierdurch ergeben sich zahlreiche Auswirkungen auf die umsatzsteuerliche Behandlung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs mit Kroatien. Dies gilt sowohl für das deutsche Umsatzsteuerrecht als auch für das kroatische, das mit Beitritt an das gemeinsame Mehrwertsteuersystem anzupassen ist.

Neue Verwaltungsanweisung
Einem aktuellen Schreiben des BMF sind zu entnehmen: die zu beachtenden, speziell den Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Mitgliedsstaaten betreffenden Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes, die Höhe der in Kroatien geltenden Erwerbs- und Lieferschwelle, die Adressen der für die Erstattung von Vorsteuern zuständigen Behörden sowie der Aufbau der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in Kroatien. Die Vorlage der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers ist dabei u. a. Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Sie ist grundsätzlich vom Lieferanten aufzuzeichnen.

Konsequenz
Lieferungen und Dienstleistungen nach bzw. von Kroatien, die nach dem 30.6.2013 erbracht werden, stellen nunmehr innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Dienstleistungen dar. Entsprechend ändert sich ihre steuerliche Erfassung. So werden z. B. Lieferungen nach Kroatien nun nicht mehr als Ausfuhren erfasst, sondern als innergemeinschaftliche Lieferungen. Zu beachten ist, dass sich hiermit auch Änderungen hinsichtlich der korrekten Rechnungsstellung und der zu erbringenden Nachweise ergeben sowie neue Meldepflichten (z. B. Zusammenfassende Meldung). Unternehmen, die Leistungsbeziehungen zu Kroatien unterhalten, müssen diese auf Grund der geänderten Rechtslage überprüfen und ggf. Maßnahmen zur Anpassung ergreifen. Dies betrifft nicht nur die Erfassung im deutschen Umsatzsteuerrecht, sondern auch die steuerlichen Pflichten in Kroatien.

5. Springpferde: Kein höherer Vorsteuerabzug durch EuGH-Rechtsprechung 

Kernaussage
Die Lieferung von Pferden unterlag nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) bis zum 30.6.2012 dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in 2011 geurteilt hatte, dass diese Regelung gegen geltendes EU-Recht verstößt, wurde die Begünstigung mit Wirkung vom 1.7.2012 abgeschafft.

Sachverhalt
Der Kläger kaufte in 2011 ein Springpferd für ca. 78.000 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer von ca. 15.000 EUR. Das Finanzamt kürzte den Vorsteuerabzug auf 7 %. Zur Begründung verwies es auf das geltende deutsche Recht, das zu diesem Zeitpunkt noch einen Steuersatz von 7 % vorsah. Demnach seien die restlichen 12 % zu Unrecht vom Lieferanten in Rechnung gestellt worden und somit nicht abzugsfähig. Hiergegen wandte sich der Kläger unter Berufung auf die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL).

Entscheidung
Das niedersächsische Finanzgericht lehnte die Klage ab. Es sah keine Berechtigung des Klägers, sich direkt auf die Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu berufen. Dieses Recht könne im vorliegenden Fall allenfalls dem Lieferanten zustehen. Allerdings sei auch dies nicht möglich, da das europäische Recht nur dann Vorrang habe, wenn es günstiger sei, was im Fall aufgrund des Ansatzes des höheren Steuersatzes nicht gegeben sei.

Konsequenz
Gegen das Urteil ist die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig. Es wird daher zu beobachten sein, ob dieser die Rechtsauffassung des Finanzgerichts teilt. Eine Klärung wäre für die Praxis zu wünschen, da die Entscheidung auch in anderen Fällen von Bedeutung ist. Immer wieder gibt es Urteile des EuGH, die Bestimmungen des UStG in Frage stellen oder sogar als nicht vereinbar mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie darstellen. In solchen Fällen besteht dann durchaus die Unsicherheit in der Praxis, ob die Rechnungen noch nach dem veralteten UStG zu stellen sind oder nicht. So steht zu vermuten, dass der Lieferant des Pferdes mit 19 % fakturiert hat, um auf der "sicheren Seite" zu stehen. Soweit es bei dem Urteil verbleibt, muss der Leistungsempfänger jedoch auf einer Rechnung nach dem UStG bestehen, um nicht auf der Vorsteuer sitzen zu bleiben.

6. Kein ermäßigter Steuersatz für "Coaster-Bahn"

Kernaussage
Die Beförderung von Personen unterliegt i. d. R. dem ermäßigten Steuersatz (7 %). Streitig ist häufig, was als Beförderungsleistung zu qualifizieren ist.

Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Sesselbahn sowie eine "Coaster-Bahn", bei der die Kunden auf schienengebundenen Schlitten zu Tal fahren. Die Sesselbahn diente u. a. zum Transport der Fahrgäste zum Start der "Coaster-Bahn". Der Kläger rechnete die Fahrten mit der "Coaster-Bahn" zum ermäßigten Steuersatz ab. Das Finanzamt unterwarf die Umsätze jedoch dem Regelsteuersatz (19 %), da es im Gegensatz zum Kläger hierin keine begünstigte schienengebundene Personenbeförderung sah.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) lehnte eine Begünstigung ab. Er qualifizierte die erbrachte Leistung nicht als Beförderung, sondern als nicht begünstigte Überlassung eines Beförderungsmittels. Die Annahme einer Beförderung scheitere daran, dass die Fahrgäste die Schlitten selber steuerten und die Geschwindigkeit bestimmten. Eine Beförderungsleistung setze hingegen eine aktive Tätigkeit des Klägers voraus, an der es fehle.

Konsequenz
Der BFH bestätigt mit dem Urteil seine jüngste Rechtsprechung, wonach auch Draisinen, die zur selbstständigen Nutzung durch die Kunden überlassen werden, als Vermietung eines Beförderungsmittels zu behandeln sind. Entscheidend ist, ob der Unternehmer selbst befördert oder das Beförderungsmittel zur Nutzung überlässt. Die Entscheidung darüber, ob der Unternehmer aktiv zur Beförderung beiträgt, wird in der Praxis weiterhin schwierig sein. So sieht der BFH z. B. bei unbemannten U-Bahnen eine Beförderungsleistung als gegeben an, weil die U-Bahn nicht den Fahrgästen zur Nutzung überlassen werde, da sie nicht von diesen gesteuert werde. Im vorliegenden Fall hingegen, so der BFH, würden die Gäste die Schlitten durch ihr eigenes Körpergewicht zu Tal bringen und so die Fahrgeschwindigkeit selbst bestimmen; ein Argument, dem nicht jeder zustimmen wird. Schließlich ist das Gewicht bekanntlich kurzfristig nicht änderbar, so dass auch hinterfragt werden könnte, ob die Fahrgäste hier selbst aktiv tätig werden. Zu beachten ist, dass das Urteil zwar diese Form der Freizeitbeschäftigung nicht begünstigt, dies jedoch nicht ausschließt, das auch Beförderungen, die lediglich der Bespaßung der Fahrgäste dienen, begünstigt sein können. Denn laut BFH kommt es hinsichtlich der Begünstigung nicht darauf, welchem Motiv die Beförderung dient.

7. Innergemeinschaftliche Lieferungen: Steuerpflicht für Bösgläubige 

Kernaussage
Immer wieder werden in der EU in hohem Umfang Umsatzsteuern hinterzogen, u. a. durch so genannte "Umsatzsteuerkarusselle". Problematisch sind hierbei nicht nur die Steuerausfälle, sondern auch, dass Unternehmer, die unwissentlich in ein solches "Karussell" geraten, mit Nachforderungen des Fiskus rechnen müssen. So droht ihnen z. B. der Verlust der Steuerbefreiung für die Lieferungen, die sie aufgrund der falschen Angaben ihrer Kunden als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen deklariert haben. Hier hilft nur der Vertrauensschutz, welcher jedoch nur unter sehr restriktiven Bedingungen gewährt wird.

Sachverhalt
Ein Kfz-Händler verkaufte 2 Pkws an eine GmbH in Luxemburg. Der Kontakt zur GmbH erfolgte ausschließlich über einen in Deutschland ansässigen Beauftragten der GmbH sowie über deutsche Telefon- und Faxnummern. Die Kaufpreiszahlung erfolgte bar. Der Kfz-Händler hatte alle gesetzlich nach der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) geforderten Nachweise eingeholt und behandelte die Verkäufe als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Demgegenüber kam das Finanzamt nach einer Prüfung durch die Steuerfahndung zu dem Ergebnis, dass die Steuerbefreiung zu versagen sei. Die vermeintliche Käuferin, die GmbH, war schon vor 8 Jahren aufgelöst worden. Alle vorgelegten Pässe waren gefälscht. Der Kfz-Händler klagte hiergegen, da ihm Vertrauensschutz zu gewähren sei.

Entscheidung
Entgegen der Vorinstanz versagt der Bundesfinanzhof (BFH) dem Kläger die Steuerbefreiung. Nach Ansicht des BFH fehlt es dem Kläger an der erforderlichen Gutgläubigkeit, da er nicht mit der erforderlichen Sorgfalt sichergestellt hat, dass er sich nicht an einer Steuerhinterziehung beteiligt. Angesichts der deutschen Kontaktadressen hätten dem Kläger Zweifel kommen müssen, ob er tatsächlich mit einer GmbH in Luxemburg verhandelt. Diese Zweifel hätte er durch den Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Geschäftssitz in Luxemburg ausräumen können, was er nicht tat. Dies gilt erst recht, wenn der Kaufpreis bar gezahlt wird und hochwertige Waren gehandelt werden.

Konsequenz
Wer aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des BFH geglaubt hat, er wäre auf der sicheren Seite, wenn er alle geforderten Beleg- und Buchnachweise erbringt, liegt falsch. Weisen andere Umstände darauf hin, dass an den Angaben des Erwerbers zu zweifeln ist, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um die Steuerbefreiung sicherzustellen. Barzahlungen sollten in solchen Fällen vermieden werden, ggf. ist sogar auf das gesamte Geschäft zu verzichten.

8. Kein ermäßigter Steuersatz für Dorffeste

Kernaussage
Konzerte, Theateraufführungen und Leistungen von Schaustellern unterliegen dem ermäßigten Steuersatz. Doch nicht jeder, der Musik macht oder auftritt, kann die Ermäßigung für sich beanspruchen.

Sachverhalt
Eine Gemeinde veranstaltete im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art ein Dorffest. Von den Besuchern des Festes wurde Eintritt verlangt. Hierbei trat die Gemeinde als Gesamtveranstalter auf und verkaufte die Eintrittskarten auf eigene Rechnung. Den Besuchern wurde Einiges geboten. Das Belustigungsprogramm umfasste Vorführungen örtlicher Vereine, das Angebot von Fahrgeschäften, Feuerwerk, Cheerleader etc. Daneben wurden Stimmungsmusik auf der Festwiese sowie Live-Musikveranstaltungen im Festzelt dargeboten. Streitig war, ob die Einnahmen aus den Verkäufen der Eintrittskarten dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Die Gemeinde vertrat die Ansicht, dass sie begünstigte Konzertveranstaltungen sowie begünstigte Leistungen als Schausteller erbringe. Die übrigen Programmpunkte subsumierte sie ebenfalls unter die Schaustellerei, da es sich um "übrige Lustbarkeiten" handele (§ 30 UStDV).

Entscheidung
Dem Thüringer Finanzgericht nach unterliegen die Umsätze der Gemeinde aus dem Dorffest dem Regelsteuersatz. Die Konzerte seien nicht begünstigt, da sie nur einen Teil des Programmes und nicht den Hauptzweck des Dorffestes ausmachten. Auch sah das Finanzgericht die Gemeinde nicht als Schausteller an. Charakteristisch für Schausteller sei das Auftreten an verschiedenen Orten, nicht jedoch ein einmal jährlich stattfindendes Dorffest.

Konsequenz
Die Auffassung des Finanzgerichts ist umstritten. Im Gegensatz zum vorliegenden Urteil, hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg einer Gemeinde die Schaustellereigenschaft für ein jährlich stattfindendes Dorffest zugestanden und auch die dargebotene Live-Musik als Konzert qualifiziert. Das Thüringer Finanzgericht hält die Fälle zwar für nicht vergleichbar, die letzte Entscheidung hierüber wird aber der Bundesfinanzhof (BFH) treffen, da Revision eingelegt wurde. Gemeinden sollten bis zur Klärung der Rechtslage zur Sicherheit mit dem Regelsteuersatz (19 %) kalkulieren und entsprechend die Umsatzsteuer deklarieren. Die betreffenden Veranlagungen müssen dann aber offen gehalten werden, um von einem positiven Ausgang des Verfahrens profitieren zu können. Soweit zulässig, sollte die Umsatzsteuer aber nicht offen mit 19 % ausgewiesen werden, da die Umsatzsteuer dann aufgrund des unrichtigen Ausweises geschuldet wird, falls der BFH in solchen Fällen den Ansatz des ermäßigten Steuersatzes präferieren würde.

9. Grobe Fahrlässigkeit bei Nutzung des Elster-Programmes

Kernaussage
Einwendungen gegen Steuerbescheide sollten innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht werden. Ist diese abgelaufen, werden die Bescheide i. d. R. bestandskräftig. Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen sind dann nur noch möglich, wenn ihn kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen trifft. Die Finanzverwaltung hat es da leichter. Die Abgabenordnung (AO) erlaubt es dem Finanzamt, nachträglich bekannt gewordene Fehler zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ohne Einschränkungen zu korrigieren.

Sachverhalt
Dem Bundesfinanzhof (BFH) lagen 2 Fälle vor, in denen die Kläger übersehen hatten, Unterhaltsleistungen steuermindernd gelten zu machen. Der eine Fall betraf das Jahr 2006, der andere 2008. Die Bescheide waren bestandskräftig und es war streitig, ob diese noch nachträglich zu ändern waren.

Entscheidung
Im Fall für 2006 entschied der BFH gegen den Kläger. Denn der dieser hatte die Hinweise bzw. Eingabezeilen im Elster-Formular zu Unterhaltszahlungen nicht beachtet, die nach Ansicht des BFH auch ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig waren. Im Fall von 2008 war dies anders, hier entschied der BFH zugunsten des Klägers. Zwar enthielt das Elster-Programm ebenfalls Hinweise zu Unterhaltszahlungen, die jedoch nicht so gestaltet waren, dass sich dem Steuerpflichtigen der Ansatz der Unterhaltszahlungen hätte aufdrängen müssen. So fehlte z. B. ein konkreter Hinweis im Hauptformular. Lediglich am Ende einer separat zu öffnenden Anlage tauchte der Sachverhalt auf, aber nicht in den zugehörigen Hinweisen.

Konsequenz
Wer als Steuerpflichtiger Steuererklärungen selbst abgeben will, muss die zugehörigen Hinweise beachten, ansonsten gehen die Fehler zu seinen Lasten. Mangelt es diesen aber an Verständlichkeit, so besteht die Chance, dass eine nachträgliche Korrektur noch möglich ist. Steuerpflichtige sollten sich aber nicht hierauf verlassen, da immer der einzelne Fall zu betrachten ist. Viele Steuerpflichtige, die eine fehlerhafte Einkommensteuererklärung zu ihren Ungunsten abgegeben haben, werden dies mangels Kenntnis auch im Nachhinein nicht mehr feststellen. Es ist daher zu prüfen, ob die Erstellung zumindest komplexer Erklärungen nicht einem steuerlichen Berater übertragen werden sollte.

10. Gelangensbestätigung: BMF legt Entwurf vor

Einführung
Innergemeinschaftliche Lieferungen sind steuerfrei. Allerdings muss der liefernde Unternehmer nachweisen, dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Häufig scheitert dies und die Unternehmen werden mit empfindlichen Nachzahlungen konfrontiert.

Rechtslage
Mit Wirkung vom 1.10.2013 wurden die Nachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen neu geregelt (§ 17a-c UStDV). Hierdurch sollen die Nachweise für die Praxis praktikabler als bisher ausgestaltet werden. Neben der Gelangensbestätigung sind nun auch alternative Nachweise zulässig.

Entwurf eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun einen Entwurf eines Schreibens zur Neuregelung zur Stellungnahme in Umlauf gegeben. Das Schreiben behandelt die Gelangensbestätigung sowie die alternativen Nachweise.

Konsequenzen
Bis zum 1.10.2013 verbleibt nicht mehr viel Zeit. Der Entwurf des Schreibens sollte, auch wenn er noch vorläufig ist, zum Anlass genommen werden, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Hierzu bietet sich zunächst eine Analyse der vorhandenen Lieferbeziehungen an, um basierend hierauf zu entscheiden, welche Form des Nachweises für welche Lieferbeziehung in Frage kommt. Kommen mehrere Alternativen als Nachweis in Frage, so ist unter Beachtung der Vorgaben der UStDV sowie den Anforderungen des BMF zu prüfen, welche Alternative geeigneter ist. Erfolgen z. B. Lieferungen per Kurierdienst, so kann es praktikabler sein, den Nachweis durch sog. track-and-tracing-Protokolle des Kurierdienstes zu führen als über die Gelangensbestätigung. Auch ist zu prüfen, ob aufgrund der Neuregelungen die Auslieferung künftig in anderer Form als bisher erfolgen sollte. Dies gilt z. B. in Fällen in denen der Kunde die Ware abholt (Abholfall). Diese waren schon bisher problematisch. Die Neuregelung lässt hier nur die Gelangensbestätigung als Nachweis zu, sofern der Kunde keinen Spediteur einschaltet. Hierdurch ergibt sich das Risiko für den Lieferanten, dass er die Ware aushändigen muss, bevor er die Gelangensbestätigung erhält. Er muss sich dann anderweitig absichern, damit er nicht auf der Umsatzsteuer sitzen bleibt oder er lässt solche Abholfälle nicht mehr zu. Ferner sollten die Unternehmen die Vorgehensweise mit ihren Kunden sowie ihren Spediteuren, Kurierdiensten etc. im Vorfeld abstimmen. Das eigene Personal (z. B. Finanzbuchhaltung, Versand, Auftragsannahme) ist ebenfalls zu schulen. Nach Ergehen des endgültigen BMF-Schreibens ist dann nochmals zu prüfen, ob sich relevante Änderungen gegenüber dem Entwurf ergeben haben.

11. Familienheimfahrt mit Dienstwagen: kein Werbungskostenabzug

Kernproblem
Unterhält ein Arbeitnehmer einen doppelten Haushalt, kann er Aufwendungen für eine Familienheimfahrt wöchentlich steuerlich geltend machen. In der Regel erfolgt das mittels der Entfernungspauschale von 0,30 EUR je Entfernungskilometer. Wird dem Arbeitnehmer jedoch ein Firmenwagen überlassen, scheidet ein Werbungskostenabzug aus. Das wirkt auf den ersten Blick ungerecht, weil der Wagen ja auch als Sachbezug versteuert wird und andere Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzugsfähig sind. Doch hierin liegt ein Korrespondenzprinzip zur Pkw-Versteuerung, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt. Das schließt jedoch nicht aus, dass ein Rechtsstreit trotz einer gewissen Logik bis hin zum Bundesfinanzhof (BFH) getragen wird.

Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer machte 45 Familienheimfahrten mit jeweils 387 km steuerlich geltend. Das zuständige Finanzamt versagte ihm jedoch den Abzug für die mit dem Firmenwagen getätigten Fahrten im Hinblick auf das im Einkommensteuergesetz geregelte Korrespondenzprinzip: Hierbei wird auf die Erhebung eines Sachbezugs für tatsächlich durchgeführte Familienheimfahrten von 0,002 % des Listenpreises pro Entfernungskilometer verzichtet, wenn dafür vom Grundsatz her (mit eigenem Wagen) ein Werbungskostenabzug in Betracht käme. Diesen wiederum untersagt dann das Gesetz im Fall des Firmenwagens, so dass weder Einnahme noch Werbungskosten vorliegen. Mit der Begründung, dass der Firmenwagen jedoch der 1 %-Regel für die Privatnutzung und der 0,03 % Regel für Fahrten zwischen Wohnung (bzw. doppeltem Haushalt) und Arbeitsstätte unterläge, zog der Arbeitnehmer vor den BFH.

Entscheidung
Der BFH konnte wegen der eindeutigen Gesetzeslage zu keinem anderen Ergebnis kommen und bestätigte die Auffassung von Finanzamt und Finanzgericht. Dem liege nach Auffassung der Richter auch der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Werbungskostenabzug für Familienheimfahrten einen tatsächlichen Aufwand voraussetze. Doch gerade der entstehe dem Arbeitnehmer nicht, wenn die Fahrten mit dem Dienstwagen durchgeführt würden.

Konsequenz
Es bleibt dabei: Wird eine Familienheimfahrt wöchentlich mit dem Firmenwagen durchgeführt, passiert steuerlich nichts. Bei einer 2. Fahrt in der Woche wird’s noch schlimmer: Diese wird als Sachbezug versteuert, die Kosten gelten aber als privat verursacht und bleiben nicht abzugsfähig.

12. Ist die Begrenzung der AfA für häusliche Arbeitszimmer verfassungsgemäß?

Kernproblem
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen grundsätzlich einem steuerlichen Abzugsverbot. Ein eingeschränkter Abzug von bis zu 1.250 EUR gilt nur, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ein uneingeschränkter Abzug aller Kosten verbleibt in Ausnahmefällen nur bei solchen Steuerpflichtigen, die den (qualitativen) Mittelpunkt ihrer Betätigung im Arbeitszimmer haben.

Sachverhalt
Eine Lehrerin begehrte den unbegrenzten steuerlichen Abzug für ihr häusliches Arbeitszimmer, da ihr in der Schule kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus liege kein häusliches, sondern ein außerhäusliches Arbeitszimmer vor, da sich das Arbeitszimmer und die übrigen Teile der Wohnung auf unterschiedlichen Etagen befänden. Weiterhin sei die Begrenzung des steuerlichen Abzugs verfassungswidrig.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) beurteilte auch diese Fallgestaltung als häusliches Arbeitszimmer und schränkte den Betriebsausgabenabzug ein. Entscheidendes Merkmal bleibt die Einbindung des Arbeitsraums in die häusliche Sphäre, d. h. die Zugehörigkeit zur Wohnung. Eine Durchbrechung des inneren Zusammenhangs setze regelmäßig voraus, dass das Arbeitszimmer über eine der Allgemeinheit zugänglichen und auch von anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen sei. Des Weiteren wies der BFH verfassungsrechtliche Bedenken gegen den begrenzten Werbungskostenabzug zurück. Eine grob pauschalierende Höchstgrenze sei verfassungsrechtlich zulässig.

Konsequenz
Um einen unbegrenzten Werbungskostenabzug zu erreichen, sind einige Hürden zu beachten. Bei Lehrern wird es aber regelmäßig nicht möglich sein, die Einbindung in die häusliche Sphäre durch (dauerhaften) Publikumsverkehr oder die Beschäftigung von nicht familienangehörigen Teilzeitkräften aufzuheben.

13. Steuerabzug auf Einkünfte ausländischer Künstleragentur ist zulässig

Kernaussage
Die Einbehaltung und Abführung einer Abzugsteuer nach § 50a EStG für die Darbietungen ausländischer Künstler, die von einer ausländischen Konzertdirektion organisiert werden, verstößt nicht gegen EU-Recht (Dienstleistungsfreiheit). Dies gilt selbst dann, wenn bei der Berechnung der Abzugsteuer Betriebsausgaben oder Werbungskosten deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie dem Vergütungsschuldner nicht mitgeteilt wurden. Die Berücksichtigung geschätzter Betriebsausgaben oder Werbungskosten ist jedenfalls nicht zulässig. Die nachträgliche Berücksichtigung nachgewiesener Betriebsausgaben oder Werbungskosten kann der Vergütungsgläubiger nur in dem in § 50d Abs. 1 EStG geregelten Erstattungsverfahren erreichen.

Sachverhalt
Kläger war eine in Österreich ansässige Konzertdirektion, die in Deutschland den Auftritt von Künstlergruppen organisiert hatte. Die hierfür von den deutschen Vergütungschuldnern angemeldeten Steuerabzugsbeträge (§ 50a Abs. 1 und 2 EStG) wurden von der Klägerin mit Einspruch gegen einen abgelehnten Antrag der Vergütungsschuldnerin auf Aufhebung der Steueranmeldung zurückgefordert, weil nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit dem Staat Österreich kein Besteuerungsrecht Deutschlands bestehe. Darüber hinaus vertrat die Klägerin die Ansicht, dass das angewandte Abzugsverfahren gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil bei der Berechnung der Steuer nicht auf den mit den Darbietungen erzielten Gewinn, sondern auf die Umsätze abgestellt worden sei.

Entscheidung
Das Finanzgericht Düsseldorf hat sich in seiner Entscheidung zunächst mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Vergütungsschuldnerin zur Anmeldung und Abführung der Steuer verpflichtet war. Eine solche Pflicht besteht nach Auffassung des Gerichts schon dann, wenn die Möglichkeit einer Steuerpflicht besteht. Jedenfalls kann nur dann von der Abgabe abgesehen werden, wenn der Vergütungsgläubiger eine vom Bundeszentralamt ausgestellten Freistellungsbescheinigung vorlegt. Der Antrag auf Aufhebung der Steueranmeldung konnte ebenfalls nicht zum Erfolg führen, weil die Steueranmeldung gegenüber dem Vergütungsgläubiger nur die Wirkung entfaltet, dass er den Steuerabzug dulden muss. Die weiteren Ausführungen im Urteil setzten sich mit der Frage der Berücksichtigung der Betriebsausgaben der Klägerin auseinander. Hier ist das Gericht der Ansicht, dass die Gemeinschaftsrechtskonformität dadurch gewahrt wird, dass der Vergütungsgläubiger bei ihm angefallene Betriebsausgaben bis zur Anmeldung der Steuer durch den Vergütungsschuldner mitteilen kann. Hierzu reicht es nicht aus, auf das "Bilanzergebnis" der Vergütungsgläubigerin zu verweisen. Die angefallenen Betriebsausgaben müssen "mitgeteilt" werden. Erfolgt keine Berücksichtigung bei der Anmeldung, kann der Vergütungsgläubiger eine Berücksichtigung der Betriebsausgaben nur im Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG erreichen.

Konsequenz
Zur Vermeidung der Abzugsteuer nach § 50a EStG sollte – soweit möglich – bereits im Zuge des Vertragsabschlusses eine Freistellungsbescheinigung beim Bundeszentralamt für Steuern angefordert werden. Sollte sich ein Steuerabzug nicht vermeiden lassen, sollten die angefallenen Betriebsausgaben dem Vergütungsschuldner vor Durchführung des Meldeverfahrens mitgeteilt werden.

14. Steuerminderung in BRD durch endgültige Verluste im EU-Ausland

Kernaussage
Finale Betriebsstättenverluste sind im Staat des Stammhauses zu berücksichtigen.

Sachverhalt
Klägerin war eine im Inland ansässige GmbH, die eine Anzahlung für ein beabsichtigtes Ferienhausprojekt in Belgien geleistet hatte. Da das Projekt später nicht umgesetzt wurde und die Anzahlung in Höhe von 300.000 EUR nicht zurückgefordert werden konnte, entstand bei der Klägerin ein Verlust in Höhe dieses Betrags. Das Finanzamt erkannte den sich hieraus ergebenden Abzug nicht an, weil es die Auffassung vertrat, es handele sich um einen ausländischen Betriebsstättenverlust, der gemäß der so genannten Symmetriethese bei der Besteuerung in Deutschland nicht berücksichtigt werden könne.

Entscheidung
Das Finanzgericht Köln vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die Auffassung, dass es sich bei den in Rede stehenden Verlusten um finale Verluste aus einer Betriebsstätte handelt. Finalitätsjahr soll das Jahr sein, in dem die geleistete Anzahlung "verfallen" ist und der Steuerpflichtige einen Verlust hinnehmen musste. Nach Auffassung des Gerichts dürfen an die Frage, wann ein finaler Verlust vorliegt, keine nicht erfüllbaren Anforderungen gestellt werden. Allein die theoretische Möglichkeit, dass später erneut eine Betriebsstätte in dem ausländischen Staat gegründet wird und in dieser die früheren Verluste berücksichtigt werden könnten, kann nicht dazu führen, die Verluste nicht zu berücksichtigen. Nicht explizit erläutert werden die Ausführungen des Gerichts zum Vorliegen einer Betriebsstätte und damit zur Abgrenzung gegenüber Einkünften aus einer unternehmerischen Tätigkeit (Art. 7 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit dem Staat Belgien). Nach Auffassung des Gerichts liegt eine Betriebsstätte vor, die zu Einkünften nach aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 Abs. 1 DBA Belgien) führt. Fragen hinsichtlich der "Abwicklung" oder Beendigung der Betriebsstätte stellen sich insoweit nicht.

Konsequenz
Liegen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-Musterabkommen) vor, sind die Anforderungen an die Beendigung einer Betriebsstätte mit Verlusten nach Auffassung des Finanzgerichts leichter zu erfüllen als bei einer unternehmerischen Tätigkeit der Betriebsstätte (Art. 7 OECD-Musterabkommen). Das Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen.

15. Rückstellungsbildung für Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung

Kernaussage
Eine Rückstellung kann den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge steuerlich nur anerkannt werden, wenn am Bilanzstichtag oder am Tag der Bilanzaufstellung erkennbar ist, dass Ereignisse eingetreten sind, aufgrund derer der Steuerpflichtige ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Rückstellungen für Steuernachforderungen nach Betriebsprüfungen sind grundsätzlich dem Jahr zu belasten, in dem sie wirtschaftlich verursacht wurden. Dagegen sind Rückstellungen für Mehrsteuern in Folge einer Steuerfahndungsprüfung erst im Jahr der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Betriebsprüfer als Rückstellungen in der Bilanz auszuweisen.

Sachverhalt
Abweichend von dieser Verwaltungsmeinung hatte der BFH in der Begründung einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 angeführt, dass Rückstellungen für Mehrsteuern erst in dem Jahr zu berücksichtigen sind, in dem der Steuerpflichtige erstmals von der Beurteilung der Finanzverwaltung Kenntnis erlangt. Aufgrund dieses Urteils war fraglich, zu welchem Zeitpunkt die Bildung von Rückstellungen für Mehrsteuern nach Betriebsprüfungen zulässig ist.

Entscheidung
Sowohl das Finanzministerium Schleswig-Holstein mit Erlass vom 6.3.2013 als auch der BHF mit seinem Urteil aus dem Jahr 2012 bestätigen die Verwaltungsmeinung über den Zeitpunkt der Bildung von Rückstellungen für Mehrsteuern. Rückstellungen für Mehrsteuern aufgrund Betriebsprüfung sind grundsätzlich dem Jahr zu belasten, in dem sie wirtschaftlich verursacht wurden. Dagegen sind Rückstellungen für hinterzogene Mehrsteuern erst in dem Jahr zu bilden, in dem mit der Aufdeckung der Hinterziehung durch den Prüfer zu rechnen ist.

Konsequenz
Es besteht kein Widerspruch zwischen Verwaltungsmeinung und BFH-Rechtsprechung; somit profitiert der Steuerpflichtige von einer einheitlichen Regelung.

16. Steuerpflichtige Mitgliedsbeiträge bei Sportvereinen: Vorsteueraufteilung

Kernproblem
Werden Mitgliedsbeiträge entrichtet, um den Verein allgemein in die Lage zu versetzen, seine satzungsmäßigen Zwecke zu verfolgen, handelt es sich um nicht steuerbare Entgelte. Insbesondere bei Sportvereinen stellt sich die Frage, ob sie nicht ein umsatzsteuerbares Entgelt darstellen, soweit das Mitglied dadurch die Berechtigung erhält, die Sportanlagen zu nutzen.

Sachverhalt
Ein gemeinnütziger Sportverein hat die Umsatzsteuerbarkeit seiner Mitgliedsbeiträge begehrt. Diese seien Entgelt für umsatzsteuerbare Leistungen des Vereins, denn es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Bereitstellung der Sportanlagen und dem Mitgliedsbeitrag.

Entscheidung
Das Finanzgericht Brandenburg hat die Klage als begründet angesehen. Es beruft sich auf das so genannte "Kenmener Golf & Country Club-Urteil" des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2002. Danach ist ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben; nicht entscheidungserheblich ist, dass die Mitglieder die Vorteile tatsächlich in Anspruch nehmen.

Konsequenz
Die obige Thematik resultiert aus einer unzureichenden Umsetzung der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Danach sind derartige Mitgliedsbeiträge umsatzsteuerbar, aber nach Art. 132 Abs. 1 m) MwStSysRL von der Umsatzsteuer befreit. Die Umsatzsteuerbarkeit ist nunmehr vom Finanzgericht Brandenburg festgestellt worden. Die entsprechende europäische Umsatzsteuerbefreiung wurde aber nicht in das deutsche Recht umgesetzt. Damit haben Sportvereine bei größeren Investitionen z. B. in Sportanlagen die Möglichkeit, aufgrund der Umsatzsteuerpflicht ihrer Mitgliedsbeiträge den ihnen dann zustehenden Vorsteuerabzug als Finanzierungshilfe einzusetzen.

17. Kirchlicher Kindergarten kann Betrieb gewerblicher Art sein

Kernproblem
Kindertagesstätten (Kitas) werden vielfach von Kirchen als Ausfluss ihrer hoheitlichen Tätigkeit betrieben. Aufgrund des Wettbewerbs mit privat betriebenen Kitas ist fraglich, ob kirchliche – wie auch kommunale – Kitas weiterhin dem hoheitlichen Bereich der Kommunen zuzuordnen sind.

Sachverhalt

Ein evangelisch-lutherischer Kirchenkreis unterhält als Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eine eigene Kita, die sie als steuerlich nicht relevanten Hoheitsbetrieb behandelte. Sie erwarb ein Grundstück; Grunderwerbsteuer sollte aufgrund der hoheitlichen Tätigkeit nicht anfallen. Das Finanzamt sah in der Tätigkeit einen Betrieb gewerblicher Art und setzte insoweit Grunderwerbsteuer fest. Hiergegen klagte der Kirchenkreis und verlor.

Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts Hamburg unterhält der Kirchenkreis mit der Kita einen Betrieb gewerblicher Art. Unabhängig vom sozialpolitischen und –rechtlichen Förderungsauftrag ist maßgeblich darauf abzustellen, dass die kirchlichen Kitas in einem Anbieter- und Nachfragewettbewerb zu anderen Kitas stehen. Die notwendige Einnahmeerzielungsabsicht ist durch die eingeforderten Elternbeiträge gegeben; der kirchliche Verkündigungsauftrag trete gegenüber der Tagesbetreuung zurück.

Konsequenzen
Aufgrund des zentralen Wettbewerbsgedankens im Steuerrecht ist die Behandlung als Betrieb gewerblicher Art sachgerecht. Umfassende Steuerzahlungen sind für diese Betriebe aber nicht zu befürchten. Regelmäßig ist der Kita-Betrieb gewerblicher Art von der Umsatzsteuer befreit; ertragsteuerlich liegt ein Zweckbetrieb vor, sofern der Kita-Betrieb gewerblicher Art eine gemeinnützige Satzung erhält. Kirchliche Träger werden auf das Urteil reagieren müssen, auch wenn die Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen worden ist. Diese hatte bei kommunalen Kitas ebenfalls bereits Betriebe gewerblicher Art angenommen. Zielführend kann eine gemeinnützige Satzung für die Kita-Betriebe sein.

18. Arbeitslohn von dritter Seite

Kernaussage
Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden; unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt. Demzufolge kann die Zuwendung eines Dritten ausnahmsweise Arbeitslohn sein, wenn sie als Entgelt für eine Leistung beurteilt werden kann, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll.

Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war bei der A-GmbH beschäftigt. Alleingesellschafterin der A-GmbH war die B-GmbH. Die B-GmbH veräußerte sämtliche Gesellschaftsanteile der A-GmbH an die D-AG. Der Kläger erhielt einen von der B-GmbH ausgestellten Scheck über 5.200 EUR mit dem Hinweis, sie schenke ihm den Scheck aus Anlass der Veräußerung der Anteile. In einer Pressemitteilung wurde mitgeteilt, die B-GmbH verabschiede sich von den 167 Mitarbeitern mit einem Überraschungsscheck als außerordentliche Anerkennung für die geleistete Arbeit. Das Finanzamt behandelte die Zahlung als einkommensteuerpflichtigen Arbeitslohn.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem beklagten Finanzamt. Voraussetzung für die Annahme von Arbeitslohn bei der Zuwendung eines Dritten ist, dass sie das Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringt. So hatten alle 167 Arbeitnehmer der A-GmbH die Zuwendungen der ehemaligen Konzernmutter erhalten, sie waren zusammen mit Bonuszahlungen ausgezahlt worden und standen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anteilsveräußerungsvertrag. Aus alledem folgt, dass die Zuwendungen eine Anerkennung für die geleistete Arbeit waren.

Konsequenz
Entscheidend bleiben die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles. Im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren obliegt dabei die Abwägung, ob eine Zuwendung von dritter Seite durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des Finanzgerichts.

19. Vergünstigung für Arbeitnehmer-Erfindungen ist kein begünstigter Arbeitslohn

Kernproblem
Für außerordentliche Einkünfte sind Steuervergünstigungen zur Einkommensteuer möglich. Bei Arbeitnehmern findet man u. a. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (z. B. Jubiläumszuwendungen) oder Entschädigungen (leider häufig verbunden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes) vor. Die durch den zusammengeballten Zufluss entstehenden Progressionsnachteile sollen durch die so genannte Fünftelregelung abgemildert werden. Vereinfacht ausgedrückt wird hierbei die fiktive Einkommensteuerbelastung von 1/5 der Vergütung oder Entschädigung ermittelt, um diese dann anschließend mit 5 zu multiplizieren. Dadurch kommt es zu Progressionsvorteilen, wenn man sich nicht ohnehin im Spitzensteuersatz befindet. Ob eine Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung hierunter fallen kann, war Gegenstand einer Klage beim Finanzgericht Münster.

Sachverhalt
Der angestellte Ingenieur eines Herstellers von Sicherheitsgläsern für gepanzerte Militärfahrzeuge hatte ein "Aluminium Silicon Tape" zur Verbesserung der Produktion entwickelt. Nach der Eintragung eines Patents zugunsten des Arbeitgebers erhielt er nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz zur Abgeltung aller Ansprüche eine einmalige Zahlung von 268.000 EUR. Hierfür begehrte er in seiner Steuererklärung die Fünftelregelung, weil ihm die Vergütung für eine mehrjährige Erfindungstätigkeit zusammengeballt zugeflossen sei. Das Finanzamt lehnte den Progressionsvorteil ab.

Entscheidung
Das Finanzgericht folgte der Ansicht des Finanzamts. Der Vergütungsanspruch des Ingenieurs habe sich nicht an der Dauer der Erfindungstätigkeit orientiert, sondern am Wert der Nutzungs- und Verwertungsrechte. Damit sei das Entgelt als Ausgleich für den Rechtsübergang und nicht für eine mehrjährige Tätigkeit gezahlt worden. Eine Entschädigung könne nicht vorliegen, weil ein erstmaliger Vergütungsanspruch festgestellt und abgegolten wurde, und nicht bereits vorher feststehende Ansprüche.

Konsequenz
Das Finanzgericht steht mit seiner Meinung nicht alleine da, denn auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat vor einigen Jahren einem Erfinder keine Tarifvergünstigung gewährt. Auf der anderen Seite würde aber unter dem Aspekt der "Zusammenballung" einiges dafür sprechen. Zumindest ist der aktuelle Fall nochmal beim BFH anhängig geworden.

20. Kommunale Holding-GmbH muss keinen paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden

Kernaussage
Das Mitbestimmungsgesetz gewährleistet und regelt in Deutschland die Aufnahme von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat eines Unternehmens. Das Gesetz erfasst u. a. Unternehmen in der Rechtsform einer AG oder GmbH mit in der Regel über 2000 Mitarbeitern, in denen die paritätische Besetzung des Aufsichtsrats Pflicht ist, d. h. Arbeitnehmer und Kapitaleigner entsenden jeweils die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder. Hierzu entschied das Düsseldorfer Oberlandesgericht aktuell am Beispiel der Bielefelder Beteiligungs- und Vermögensverwaltungs-GmbH (BBVG), dass kommunale Holding-Gesellschaften nicht immer einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden müssen.

Sachverhalt
Die BBVG hält sämtliche Anteile der Stadtwerke Bielefeld GmbH, verfügt aber nur über 6 eigene Mitarbeiter. Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, die mehr als 2.000 Mitarbeiter der Stadtwerke seien der BBVG als herrschendem Unternehmen zuzurechnen. Eigentliche Entscheidungsträgerin bei beiden Gesellschaften sei die Stadt Bielefeld. Da diese aber als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den aktienrechtlichen Vorschriften nicht mitbestimmungspflichtig sei, müsse der paritätisch besetzte Aufsichtsrat "eine Ebene tiefer", nämlich bei der BBVG angesiedelt werden. Durch die somit gebotene Berücksichtigung der Mitarbeiter der Stadtwerke erreiche die BBVG eine Arbeitnehmerzahl, bei der ein je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern bestehender Aufsichtsrat gebildet werden müsse. Die BBVG wandte dagegen ein, als Holding- oder Beteiligungsgesellschaft keinerlei Leitungsmacht über die Stadtwerke auszuüben. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies schließlich den Antrag auf Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrates bei der BBVG zurück.

Entscheidung
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der Vernehmung von 6 Zeugen und des Geschäftsführers der BBVG stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die BBVG zwar als herrschendes Unternehmen einzustufen ist, jedoch weder sie noch die Stadt Bielefeld den Stadtwerken Bielefeld GmbH gegenüber Weisungen erteilt und Leitungsmacht ausübt. Die gesetzliche Vermutung, dass bei einer derartigen Unternehmensstruktur die Unternehmen einen "von oben geführten" Konzern bildeten, war daher nach Auffassung der Richter widerlegt, so dass die zur Bildung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrats notwendige Beschäftigtenzahl bei der BBVG nicht erreicht wurde.

Konsequenz
Hier kam es zu einer so genannten "Umkehr der Beweislast": Nicht der antragstellende Betriebsrat musste die behauptete Leitungsmacht beweisen, sondern die Gesellschaft musste zur Entkräftung der widerleglichen gesetzlichen Vermutung den Gegenbeweis führen, nämlich dass gerade kein "von oben geführter Konzern" vorlag. Dies gelang, denn das Gericht war nach der Beweisaufnahme voll vom Vorliegen des Gegenteils überzeugt.

21. Straßenbeleuchtung ist nicht von der Stromsteuer befreit

Kernaussage
Gemeinden und kommunale Versorgungsunternehmen müssen für Strom, den sie für die öffentliche Straßenbeleuchtung beziehen, Stromsteuer entrichten. Eine Befreiung davon ist nicht möglich.

Sachverhalt
Geklagt hatte ein Versorgungsunternehmen, das neben der Versorgung der Bürger mit Gas und Strom auch die öffentliche Straßenbeleuchtung für die Gemeinde übernommen hatte. Das Unternehmen beantragte die Entlastung von der Stromsteuer u. a. für den zur Straßenbeleuchtung eingesetzten Strom. Dies lehnte das Hauptzollamt ab.

Entscheidung
Das Finanzgerichts Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Hauptzollamts, da der Gesetzgeber seit dem 1.1.2011 Gestaltungsmöglichkeiten zum Erhalt von Stromsteuerentlastungen eingeschränkt hat. So wird bei der Erzeugung von Licht, Wärme, Kälte und Druckluft durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes zusätzlich verlangt, dass die erzeugte Energie nachweislich von einem Unternehmens des Produzierenden Gewerbes genutzt wird. Dementsprechend kann ein kommunales Versorgungsunternehmen als Unternehmen des produzierenden Gewerbes zwar für die Gemeinde die Straßenbeleuchtung übernehmen. Genutzt wird die Straßenbeleuchtung der öffentlichen Straßen als Lichterzeugung jedoch von Verkehrsteilnehmern und Anwohnern, die nicht Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind. Daher gibt es keine Stromsteuerentlastung. Dies ist auch verfassungskonform, denn mit der Steuerbefreiung des produzierenden Gewerbes soll nur eine Benachteiligung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und eine Verlagerung von energieintensiven Arbeitsplätzen in das Ausland vermieden werden.

Konsequenz
Die Entscheidung hat bundesweite Bedeutung. Denn kommunale Stadtwerke oder regionale Energieversorger werden häufig im Rahmen eines Betriebsführungsvertrages mit der Stadt oder Gemeinde mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb der öffentlichen Beleuchtung beauftragt. Auf die kommunale Straßenbeleuchtung entfallen dabei regelmäßig mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs.

22. Umsatzsteuerbefreiung beim Ehrenamt: Verständigung mehrerer Verbände

Kernproblem
Erhalten ehrenamtliche Helfer ein Entgelt für ihre Tätigkeit, so ist dieses von der Umsatzsteuer befreit, sofern es sich lediglich um Auslagenersatz bzw. angemessene Entschädigungen für den entstandenen Zeitverlust handelt. Um der Praxis die Anwendung zu erleichtern, hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) hierzu in März Anwendungsgrundsätze veröffentlicht. Obwohl dieses überarbeitete Schreiben bereits viele Anmerkungen der Verbände berücksichtigt, bleiben dennoch Fragen offen. Diese wurden nun in einem Gespräch zwischen Verbänden und BMF geklärt.

Ergebnisse der Erörterung
Die im Raum stehende Festlegung eines zeitlichen Umfangs der ehrenamtlichen Tätigkeit ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung ehrenamtlicher von hauptberuflicher Tätigkeit. Bei pauschalen Aufwandsentschädigungen können die notwendigen Regelungen in unterschiedlichen Satzungen bzw. Gremienbeschlüssen festgehalten werden, soweit die Gesamtgrenzen eingehalten werden. Die Häufigkeit und durchschnittliche Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit kann formlos mitgeteilt werden; eine besondere Dokumentation ist nicht erforderlich. Hierauf kann ggf. in Folgejahren verwiesen werden.

Konsequenzen
Obige Ergebnisse gehen nicht ohne Weiteres aus dem BMF-Schreiben hervor. Insoweit hat sich das BMF bereit erklärt, den Verbänden obige Auslegung kurz schriftlich zu bestätigen.

23. Mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft

Kernaussage
Das Grunderwerbsteuergesetz erfasst auch die Änderung des Gesellschafterbestandes bei grundstücksbesitzenden Personengesellschaften, wenn innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren ein Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen stattfindet. Bei der Prüfung, ob eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vorliegt, sind Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen als transparent zu betrachten.

Sachverhalt
Die Klägerin ist eine grundstücksbesitzende GmbH & Co. KG. Die persönlich haftende Gesellschafterin ist mit 6 % an dem Gesellschaftsvermögen beteiligt. Ihre alleinige Gesellschafterin war zunächst eine Aktiengesellschaft, die im Jahr 2005 ihre Beteiligung jeweils zur Hälfte auf ihre 100 %ige Tochter-GmbH und auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts übertrug. Die einzige Kommanditistin übertrug im Jahr 2006 ihre Beteiligung an der Klägerin auf eine weitere GmbH. Das beklagte Finanzamt stellte einen Gesellschafterwechsel fest, der Grunderwerbsteuer auslöse. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Finanzgericht erfolglos. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) beigetreten. Nach Auffassung des BMF sind bei einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes Personen- und Kapitalgesellschaft hinsichtlich der Durchrechnung unterschiedlich zu behandeln.

Entscheidung
Der BFH gab der Klage statt. Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft ist anders als die unmittelbare Änderung ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Kapital- und Personengesellschaften sind hierbei gleichermaßen als transparent zu betrachten und gleich zu behandeln. Für die Differenzierung der Finanzverwaltung gibt das Gesetz keine Rechtsgrundlage. Somit ist bei Prüfung einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands auf allen Beteiligungsebenen gleichermaßen durchzuschauen, ob sich der Gesellschafterbestand wirtschaftlich im Ergebnis vollständig ändert. Denn nur dies lässt die beteiligten Personen- oder Kapitalgesellschaft fiktiv zu einer neuen Gesellschafterin werden. Vorliegend ist die AG weiterhin über die Tochtergesellschaft mittelbar an der Klägerin beteiligt geblieben.

Konsequenz
Mit dem vorliegenden Urteil hat der BFH seine Rechtsauffassung geändert. Das Urteil wird im Gestaltungsbereich von mehrstöckigen Beteiligungsverhältnissen an grundstücksbesitzenden Personengesellschaften von entscheidender Bedeutung sein. Abzuwarten bleibt jedoch, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird.

24. Prozesshandlungen von Nebenintervenienten bleiben immer wirksam

Kernaussage
Eine Aktiengesellschaft (AG) wird im Rechtsstreit mit ihren Vorständen durch den Aufsichtsrat als Organ vertreten. Tritt ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied dem Rechtsstreit auf Seiten der AG bei (sog. Nebenintervention), behalten die von ihm bis zur Zurückweisung seines Beitritts wirksam vorgenommenen Prozesshandlungen auch nach Rechtskraft der Zurückweisungsentscheidung ihre Wirksamkeit.

Sachverhalt
Die Beklagte ist eine AG, an der 2 zerstrittene Familienstämme über eine Holding beteiligt sind. Die Kläger wurden wirksam zu Mitgliedern des Vorstandes berufen. Gerichtlich wenden sie sich gegen einen Abberufungsbeschluss des Aufsichtsrats. Dieser stimmte mit 3:3 Stimmen ab. Gemäß der Satzung der beklagten AG führt Stimmgleichheit zur Ablehnung des Beschlussantrags. Der Aufsichtsratsvorsitzende entschied aber, dass die Stimmen gegen die Abberufung missbräuchlich ausgeübt wurden und damit nicht zu berücksichtigen seien. Infolge dessen waren die Vorstände mit 3:0 Stimmen abberufen. Das Landgericht gab den Klägern Recht. Hiergegen legte die AG Berufung durch einen Prozessbevollmächtigten ein, der nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden bevollmächtigt wurde. Innerhalb der Berufungsfrist trat ein Aufsichtsratsmitglied dem Rechtsstreit auf Seiten der AG bei und legte gleichfalls Berufung ein. Das Oberlandesgericht verwarf die Berufung als unzulässig, da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur Einlegung des Rechtsmittels nicht wirksam bevollmächtigt gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte, dass die Berufung nicht als unzulässig hätte verworfen werden dürfen. Die von einem Nebenintervenienten bis zur rechtskräftigen Zurückweisung seines Beitritts vorgenommenen Prozesshandlungen behalten ihre Wirksamkeit. Er kann daher mit Wirkung für die Beklagte Berufung einlegen und Anträge stellen. Dahingegen wird die AG im Rechtsstreit mit dem Vorstand von Ihrem Aufsichtsrat als Gremium vertreten. Der Vorgang der einheitlichen Willensbildung im Aufsichtsrat kann nicht durch Entscheidung eines Mitglieds bzw. des Vorsitzenden ersetzt werden. Erteilt dieser eine Prozessvollmacht ohne zuvor die Einwilligung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat diese Handlung und die bisherige Prozessführung durch Mehrheitsbeschluss genehmigen.

Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht prozessuale Tücken. Dennoch sollte stets auf die ordnungsgemäße Vertretung einer juristischen Person geachtet werden, um somit ein Scheitern des Prozesses aus formellen Aspekten zu vermeiden.

25. Herabsetzung der Haftsumme eines Kommanditisten: gebührenpflichtig?

Kernaussage
Auch nach Änderung der Handelsregistergebührenverordnung zum 1.1.2011 ist die Herabsetzung der Haftsumme bei einem Kommanditisten und die Zuschreibung seines Anteils bei einem oder mehreren Kommanditisten als eine Tatsache zu behandeln und löst nur einen Gebührentatbestand aus.

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über den Kostenansatz in einem Handelsregisterverfahren. Die Beschwerdeführerin ist eine Familiengesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, zu der mehr als 300 Kommanditisten gehören. Die Kommanditisten sind Nachfahren des Firmengründers bzw. Mitglieder einer Familie. Aufgrund der Vielzahl von Kommanditisten kommt es regelmäßig zu Übertragungsvorgängen, die im Handelsregister eingetragen werden müssen. Vorliegend sollten mehrere Fälle über die Herabsetzung der Einlage eines Kommanditisten und Übergang der herabgesetzten Einlage im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf einen oder mehrere Kommanditisten zum Handelsregister angemeldet werden. Das Handelsregister setzte für jeden Eintragungsvorgang sowohl für die Herabsetzung der Haftsumme als auch der Zuschreibung des Anteils gesonderte Gebühren fest. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Beschwerdeführerin Recht. Die Herabsetzung der Haftsumme bei einem Kommanditisten und die Zuschreibung seines Anteils bei einem oder mehreren Kommanditisten ist weiterhin als eine Tatsache im Sinne der Handelsregistergebührenverordnung zu sehen. Das OLG hatte bereits im Jahr 2008 entschieden, dass ein solcher Vorgang gebührenrechtlich eine Tatsache bildet. An dieser Beurteilung hält das OLG auch im Hinblick auf die Neuregelungen zur Handelsregistergebührenverordnung fest. Diese lasse nämlich nicht erkennen, dass der Verordnungsgeber den Kreis der als Einheit zu behandelnden Tatsachen abschließend feststellen wollte. Es gilt weiterhin, dass in den nicht genannten Fällen geprüft werden muss, ob nach der rechtlichen Würdigung und der Verkehrsanschauung ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Annahme einer Tatsache gerechtfertigt erscheint.

Konsequenz
Anlass der Änderung der Gebührenverordnung war u. a. die turnusmäßige Überprüfung des tatsächlichen Aufwands der Registergerichte, welche zu einer Erhöhung der Gebühren führte. Strukturelle Änderungen waren damit aber nicht verbunden. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Kostenrechnungen des Registergerichts stets zu prüfen sind.

26. AdV bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke?

Kernaussage
Auch bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer streitbefangenen Norm, erhält der Steuerpflichtige im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Aussetzung der Vollziehung. Festgesetzte Steuern sind zu bezahlen. Ob die zugrundeliegende Norm wegen ihrer Verfassungswidrigkeit unangewendet bleiben muss, wird erst im Hauptsacheverfahren geprüft.

Sachverhalt
Die antragstellende GmbH hatte im Jahr 2008 Zinsaufwendungen in Höhe von 6.300.000 Euro. Wegen der sogenannten Zinsschranke wurden im Rahmen der steuerlichen Einkommensermittlung lediglich 3.300.000 Euro einkommensmindernd berücksichtigt. Dies führte nach Auffassung der GmbH zu einem Einkommen, dass 600.000 Euro zu hoch war. Deswegen richtete die GmbH an das Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung des Steuerbescheides, um auf diese Weise die zu hoch festgesetzte Steuer – jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – nicht entrichten zu müssen.

Entscheidung
Das angerufene Finanzgericht Münster wies den Antrag ab. Zwar habe auch das FG Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke. Diese durchbreche nämlich ohne sachliche Rechtfertigung das objektive Nettoprinzip, wonach nur der Differenzbetrag zwischen Erwerbseinnahmen und Erwerbsausgaben besteuert werden können, und könnte deshalb einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Allerdings bliebe die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit diene im Hauptsacheverfahren die sogenannte Richtervorlage, die es einem angerufenen Gericht ermöglicht, einzelne Normen vom Bundesverfassungsgericht auf Verfassungskonformität prüfen zu lassen. Nur dem Bundesverfassungsgericht nämlich steht die Normverwerfungskompetenz zu. Würde man aber ein derartiges Verfahren im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes anstrengen, wäre der Eilbedürftigkeit der Entscheidung Abbruch getan. Nur im Falle einer Existenzbedrohung könnten Verfassungsrechtliche Zweifel zur Vollziehungsaussetzung eines Steuerbescheides führen.

Konsequenz
Abermals ist damit ein Beschluss ergangen, der verfassungsrechtliche Zweifel an der streitentscheidenden Norm im Rahmen der Abwägung zwischen (öffentlichem) Vollzugsinteresse und dem Aussetzungsinteresse des Einzelnen außer Acht lässt. Anderes kann danach nur dann gelten, wenn die Existenz bedroht ist.

27. Ärztliche Schweigepflicht schützt nicht vor Umsatzsteuernachzahlungen

Kernaussage
Steuerpflichtige sind gesetzlich verpflichtet, an der Aufklärung steuerlich relevanter Sachverhalte mitzuwirken. Wie sieht es aber hiermit aus, wenn der Steuerpflichtige sich auf seine strafbewehrte, hier ärztliche, Schweigepflicht beruft?

Sachverhalt
Der Kläger erbrachte Leistungen im Bereich der plastischen Chirurgie, die er ausschließlich steuerfrei abrechnete. Im Rahmen einer Betriebsprüfung sollte geprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger auch steuerpflichtige Leistungen erbrachte, sofern es sich um Schönheitsoperationen handelte, bei denen kein therapeutisches Ziel im Vordergrund stand. Der Aufforderung, der Betriebsprüfung Rechnungen vorzulegen, kam der Kläger nicht bzw. nur in sehr begrenztem Umfang nach und verwies insofern auf seine ärztliche Schweigepflicht. Das Finanzamt setzte daraufhin Umsatzsteuer in Höhe von ca. 260.000 EUR fest. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er brachte vor, dass er Operationen abgelehnt hätte, wenn diese kein therapeutisches Ziel verfolgten. Nachweise diesbezüglich blieb er aber weiterhin schuldig, so dass der Einspruch abgelehnt wurde.

Entscheidung
Mit der Klage des Arztes befasste sich das Finanzgericht Köln. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen nicht begünstigten Schönheitsoperationen und begünstigten Behandlungen schließt sich das FG der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) an. Demnach kommt eine Befreiung nicht in Betracht, wenn der Hauptzweck der Behandlung nicht der Gesundheit dient, gleichwohl die Behandlung aber zur Gesundheit des Betroffenen beiträgt. Bestehen Zweifel an der medizinischen Indikation, trifft den Steuerpflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Kommt er dieser unter Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht nicht nach, fehlt es an einem Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung.

Konsequenz
Unabhängig davon, ob der Kläger seine Mitwirkung unter Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht zurecht verweigern konnte, führt ein solches Verhalten bei Zweifeln über den Inhalt der Behandlung zur Versagung der Steuerbefreiung. Zwecks Nachweis der medizinischen Indikation kann daher von Ärzten verlangt werden, dass sie entweder das Einverständnis ihrer Patienten zur Offenlegung der Unterlagen einholen oder diese in geeigneter Form anonymisiert zur Verfügung stellen.


Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen



Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
Tel.: 05231 / 933 460
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